Kunst braucht Freiheit – Ein Plädoyer

Johannes Maria SchatzVon der Subvention zur Investition

Von Johannes Maria Schatz

Kunst ist unser Lebenselixier. Wohin wir uns umschauen, wir sind von ihr umgeben und inspiriert. Es gab wohl kaum ein Zeitalter, in dem wir alle so freien und direkten Zugang zu ihr hatten.

Stellen wir uns kurz ein Leben ohne sie vor: ohne Kathedralen, Bauten und Skulpturen im Stadtbild, ohne Gemälde, Bilder, Grafiken und Fotografien zu Hause oder in Museen, ohne Musik auf Bühnen, Festivals, in Kneipen, auf der Hochzeitsfeier, im Internet, als CD oder mp3, ohne Schauspiel im Fernsehen, in Kinos oder Festspielen, ohne Bücher und Texte zum Vorlesen für die Kleinen, in Bibliotheken oder im Radio, ohne Tanz im Karneval, auf Partys, unseren Straßen, im Fitness-Studio oder im Ballett, ohne Zirkus, ohne Comedy, ohne Puppenspiel, ohne Jonglage, Zauberei oder Artistik auf Kindergeburtstagen, Stadtfeiern, Ausstellungen oder Vernissagen, ohne Design unseres Alltages bei Schmuck, Kleidung, Autos, Webseiten oder Küchengeräten… Unsere Gesellschaft wäre eine kalte, triste, graue und trostlose Technokraten-Diktatur. Alles wäre machbar, aber nichts mehr wert!

Die Förderung von Kunst ist darum eine wesentliche Aufgabe für das Gemeinwesen, das gilt insbesondere für die kulturelle Bildung! Sie fördert gesellschaftliche Teilhabe, Integration, Chancengerechtigkeit, persönliche Entfaltung für Menschen jeden Alters und jeder Herkunft und sie allein vermittelt eine globale Sprache, die alle nationalen Schranken aufsprengt, den Menschen zum Weltbürger macht.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten, der Kunst ihre Freiheit zu entziehen, eine äußere und eine innere. Wer Kunst von außen unter die Gesetze einer Ideologie zwängen will – denken wir an totalitäre Staatsformen unserer jüngsten Vergangenheit – der zerstört den Kern ihres Seins: ihre zweckfreie Schönheit! Totalitärismen drohen jedoch nicht nur von Seiten des Staates, sondern auch von jedem einzelnen Menschen, der mit ihr in Berührung kommt. Wer Wahrhaftiges erschaffen möchte, der muss wahrhaftig handeln! Wenn Kunst moralische, gesellschaftspolitische und ästhetische Funktion besitzt, dann hat sie – auch im Umgang untereinander –Vorbildfunktion. Kunst braucht politische Freiheit!

Von innen drohen nicht minder starke Gefahren. Wenn Kunst und Kultur die gesellschaftlichen Grundlagen für die Verständigung untereinander und die Quelle von Identität und Kreativität sind, dann gilt das umso mehr für den Umgang der Gesellschaft mit deren Protagonisten, unseren Künstlerinnen und Künstlern. Wer Kunst und Künstler unter die Gesetze des Marktes zwängen will – immer schneller, immer effizienter, immer billiger – der degradiert die Kunst zum reinen Produkt und den Künstler, den Menschen zum reinen Kostenfaktor. Der Wert der Kreativität muss dagegen wieder deutlich herausgestellt werden. Kreative bereichern mit ihren Ideen und Werken unser gesellschaftliches Leben. Sie müssen in die Lage versetzt werden, von ihrer kreativen Leistung zu leben! Kunst braucht ökonomische Freiheit!

Immer und immer wieder hört und liest man: Das Geld ist knapp. Es muss gespart werden. Zum einen stimmt die Behauptung nicht, dass es kein Geld gebe. Es wird inzwischen nur nicht mehr gerecht verteilt. Zum anderen wird völlig vergessen, dass Kunst auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Von einem Euro öffentlicher Kulturförderung kommen etwa drei Euro als Investitionen zurück. Allein eine Million Erwerbstätige arbeiten in der Kultur- und Kreativwirtschaft beispielsweise in Deutschland und erwirtschaften einen immensen Mehrwert. Es wird allerhöchste Zeit, Kunst nicht mehr als Subvention zu betrachten – ein völlig falscher Begriff in diesem Zusammenhang – sondern als Investition in die Entwicklung und Zukunft unserer Gesellschaft.

Kunst ist unser Lebenselixier. Was unser Dasein lebenswert macht, was unsüber uns selbst hinaushebt, ist Kunst. Was ist uns der Spiegel wert, in den wir hinein schauen können? Kunst und Künstler brauchen – von außen und von innen – Raum, Entfaltung und Freiheit für berechtigte Anfragen an uns, für Visionen und Inspiration, für eine nachhaltige Weiterentwicklung unserer Species und für die einzige Sprache, die weltweit über alle Grenzen hinweg verstanden wird!

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