Traumberufe zwischen Erfüllung und Burnout

Young woman shouting into a megaphone, side view on white conceptual of a rally or protest

Anstatt reglos zuzusehn
greife ich ein
und ernenne gewisse Dinge für falsch
und arbeite daran sie zu verändern und zu verbessern

Peter Weiss, Marat/Sade

 

Schlechte Bezahlung, im Extremfall unter dem Mindestlohn, unsichere und prekäre Vertragsverhältnisse mit geringem Kündigungsschutz, freie Einzelverträge, die knebeln, aber keine Sicherheit und katastrophale Abendgagen bieten, unüberprüfbare Wochenarbeitszeiten (50 Stunden? Kann leicht vorkommen!), ein ganzer Monat ohne einen einzigen freien Tag, komplette Arbeitsphasen ohne Bezahlung (Proben), Respektlosigkeit im täglichen Umgang, Beurteilung von Können und Leistung nach rein subjektiven/persönlichen Kriterien, Arbeitsplatzverlust nach 13 Jahren nur mit der Begründung, dass der direkte Vorgesetzte wechselt (Theaterverträge), ein ständiges (diffuses) Gefühl der Angst, das einem (konkreten) Bewusstsein der Abhängigkeit entspringt: ist so etwas überhaupt vorstellbar in Arbeitsverhältnissen in Deutschland, Österreich und der Schweiz?

Ja, ist es, wenn man Bühnenkünstler ist, ob frei oder fest, ob in Schauspiel oder Tanz, Oper oder Musical, und auch als freier Musiker in Rock und Pop, Jazz und Klassik.

In all diesen Bereichen ist der Ausbeutung Tür und Tor geöffnet, denn: es geht ja um künstlerische Erfüllung, es ist ja eine Berufung, nicht nur ein Beruf. Die Konkurrenz ist riesig, unzählige junge Menschen streben Jahr für Jahr aufs Neue mit Leidenschaft auf die Bühnen, die Gefahr, dass Idealismus missbraucht wird, ist groß. Und es sind nicht nur die „klassischen“ Bühnenberufe, über die ja aktuell viel öffentlich diskutiert wird; fast jeder freie Musiker, der um seine Gigs und Konzerte, um faire Verträge und Rechteregelungen (oder gar um Erfolgsbeteiligung) kämpft, hat dem Thema: „Friss oder stirb“ etwas hinzuzufügen.

Natürlich: Missbrauch geschieht nicht überall, es gibt viele Institutionen und Veranstalter, künstlerische Leitungen und Agenturen, die sich um Fairness und Gerechtigkeit bemühen. Aber es gibt auch, da muss man realistisch sein, mehr als ein paar wenige schwarze Schafe, die die angespannte Lage am Arbeitsmarkt für Künstler ausnutzen: Indem sie schlechte Gagen zahlen und katastrophale Bedingungen bieten – weil es der Markt erlaubt.

ART BUT FAIR hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Missstände aufzuzeigen – und an ihrer Veränderung zu arbeiten.