Jenseits von Mensch und Kultur – ein politischer Offenbarungseid
Unter dem Motto „form follows function“ startete die Revolution der Künstler inzwischen die nächste Stufe ihres Konzeptes der konstruktiven Konfrontation. Stand der Mai mit dem offenen Gespräch zwischen Elisabeth Kulman und Alexander Pereira und der öffentlich ausgestrahlten Podiumsdiskussion an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien ganz im Zeichen des Dialogs zwischen Künstlern und Intendanten, so wandten wir uns am 2. Juni mit einem offenen Schreiben an die Politik. Dorthin also, wo sich für Kunst und Kultur, die Bedingungen ihres Entstehens und die Chancen ihres Wirksamwerdens die finanziellen und rechtlichen Daumen heben oder senken. An die Parteien der Bundesrepublik Deutschland und Österreichs sowie an die Kultusministerien aller 16 deutschen Bundesländer richteten wir daher die Bitte, uns ihre ganz konkreten kulturpolitischen Vorstellungen und Tätigkeitsschwerpunkte mitzuteilen und sich zu unserem Projekt „art but fair“ zu positionieren. Angesichts der im September dieses Jahres in Deutschland und Österreich anstehenden Parlamentswahlen erhofften wir uns von den erbetenen Stellungnahmen nicht zuletzt auch einen Fingerzeig für die persönliche Wahlentscheidung der vielen tausend von uns repräsentierten Künstler. Doch die Reaktionen aus der Politik: statt des Fingerzeigs gähnende Leere, statt konkreten Engagements verbale Allgemeinplätze, statt kulturpolitischen Profils erschreckende Gesichtslosigkeit! Hatten wir den Parteien und Ministerien eine großzügige Beantwortungsfrist von drei Wochen eingeräumt, so fühlten sich selbst nach Ablauf eines vollen Monats ganze 10 von 26 Adressaten unserer Schreiben (nämlich lediglich 2 von 7 deutschen Parteien, 5 von 16 deutschen Landeskultusministerien, aber immerhin alle 3 angeschriebenen österreichischen Parteien) überhaupt nur zu einer Antwort bemüßigt. Und was dann inhaltlich kam, war nicht weniger erschütternd! Vorläufiger „Höhepunkt“ und primus inter pares: die Reaktion des von Minister Mathias Brodkorb (SPD) geführten Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern, dessen Pressesprecher uns ganze drei abgezählte Sätze schrieb. Tenor: Wir mögen uns doch bitte anhand der Internetseite der Landesregierung selbst informieren. Mit freundlichen Grüßen. Auch der Freistaat Thüringen setzte sich in keinster Weise mit „art but fair“ auseinander, schickte uns aber immerhin ein an Seiten zahlreiches gedrucktes Kulturkonzept. Während das Kultusministerium Baden-Württemberg sich textbausteinhaft über Schulpolitik erging und völlig an unseren Fragen vorbeischrieb, war es dem Freistaat Sachsen wichtig, uns wissen zu lassen, dass es doch um Kunst und Kultur in Sachsen bestens bestellt sei, dass auch die Kunst einen Markt mit Angebot und Nachfrage darstelle und dass die Künstler gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung, für die es keine spezifische Förderung gebe, bereits privilegiert seien. Die von „beklagten Entwicklungen“ Betroffenen sollten doch bitte in erster Linie selbst aktiv sein, so das von Sabine Freifrau von Schorlemer (parteilos) geführte Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Und nur auf den ersten Blick weniger zurückweisend schließlich die Antwort der Kultursenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg: Statt auf die von uns aufgeworfenen Fragen einzugehen, schrieb uns Frau Prof. Barbara Kisseler (parteilos) so nichtssagend wie beiläufig, „art but fair“ sei „interessant“. Wir geben durchaus zu, dass wir seitens politischer Entscheidungsträger weder mit Inspiration, noch mit Konkretheit gerechnet haben. Das tatsächliche Ausmaß der uns dort begegnenden Gleichgültigkeit übersteigt jedoch unsere schlimmsten Befürchtungen. Gegenüber den eklatanten Missständen im Kunst- und Kulturbetrieb, wie sie die Revolution der Künstler ans Licht gebracht hat, ist ein solches politisches Verständnis in unseren Augen völlig unverantwortlich, ja bisweilen sogar von Ignoranz zeugend. Um so berechtigter und notwendiger ist unser revolutionäres Engagement, um der Kunst und ihren Akteuren wieder eine wahrnehmbare Stimme zu geben. So wenig die Lautstärke der Gradmesser des Schönen ist, so sehr braucht es sie jetzt, um die Spirale des Schweigens, Wegsehens und Schönredens zu durchbrechen! Also seien wir laut und fordern wir Taten statt Worte! Denn jedes staatspolitische Bekenntnis – wie auch das zu Kultur und Kunst – lebt weder von seinem Abdruck in Wahlkampfbroschüren, noch davon, Bestandteil geltenden Rechts zu sein. Es bedarf der faktischen Kraft des Normativen, um aus bloßen Bekundungen, Artikeln und Paragraphen wieder eine solide Grundlage kulturellen Reichtums entstehen zu lassen, der dem deutschen Sprachraum, ja dem europäischen Kontinent jahrhundertelang Gesicht, Statur und Identität gab. Wir bekennen uns zu dieser Identität, indem wir die Revolution der Künstler in die Mitte der Gesellschaft tragen. „art but fair“ wird der Vorreiter dieser Bewegung sein! Alle uns zugegangenen Reaktionen der Parteien und Ministerien stellen wir hier zur Einsicht bereit:
Deutschland
Parteien (Anschreiben erfolgte am 2.6.2013)
Ministerien (Anschreiben erfolgte am 2.6.2013)
- MECKLENBURG-VORPOMMERN 10.6.2013
- THÜRINGEN 19.6.2013
- SACHSEN 21.6.2013
- HAMBURG 24.6.2013
- BADEN-WÜRTTEMBERG 1.7.2013
- RHEINLAND-PFALZ 4.7.2013
- BAYERN 10.7.2013
- NORDRHEIN-WESTPHALEN 10.7.2013
- SACHSEN-ANHALT 18.7.2013
- NIEDERSACHSEN 22.7.2013
Liebes art-but-fair-Team!
Bitte stellt doch auch das bzw. die Anschreiben online, die ihr selbst verschickt habt! Dann lässt sich der Kommunikationsverlauf auch besser nachvollziehen.
Danke und Gruß!
Christine
hatte ich letztes Jahr auch schon gelesen und kann mir schwer vorstellen, dass sich grundlegendes geändert hat, darum:
Dürfte das auf meiner FB Seite posten ?
. . . . bitte weitermachen!
Grüsse
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